Die Religion und mein Weltbild:

Warum Religion?
Mit dreißig Jahren fing ich an die Bibel zu lesen und erschrak. Das Buch war voller Parallelen zu meinem eigenen Leben und der Suche nach Aussöhnung mit selbigem. Wie für mich geschrieben erschienen diese Texte zwar in einer Sprache die mir fremd war aber inhaltlich dennoch prägnant und deutlich genug um zu wissen was gemeint war. Das die Texte so gar nicht mit meinem Weltbild von der Kirche zu tun hatten lag natürlich daran das meine persönlichen Erfahrungen mit gesellschaftlichen Normen durchweg negativ war. Wie Menschen miteinander im Christentum umgehen hat mit Sensibilität und Liebe so gar nichts gemein aber die Bibel wäre nur ein Buch wenn sie nicht auch darauf Antworten hätte. Ich begann also die Bibel in ihrer Sprache und inhaltlichen Form zu deuten und lernte dann erst, dass man dabei von Exegese spricht. Einige wenige Gleichnisse dieser Arbeit habe ich veröffentlicht um zentrale Aussagen der Bibel zu verdeutlichen. Das Christentum so wie ich es verstehe bedarf einer Reformation und ein erlernen vom tiefenpsychologischen Verständnis zu uns selbst. In letzter Konsequenz aber gibt es weder religionslose Menschen noch eine Religionsfreiheit denn es gibt nur einen Schöpfungsakt und somit nur einen Gott.
Der Sündenfall:
Matthäus 5 - Die Bergpredigt
Die Bergpredigt gilt zu Recht als die aussagekräftigste zentrale Botschaft des Christentums.
Eine solche Botschaft bedarf sicher keiner Kommentierung, da sie für sich selbst steht, sie ist jedoch dazu angetan, einen Einblick in die Psyche Jesu zu gewähren. Wenn sich jemand in einer Zeit, in der Kreuzigungen, Verstümmelungen und schlimmste Kriege an der Tagesordnung waren, hinstellt und sagt: „Selig sind die Sanftmütigen, die Barmherzigen und die reinen Herzens sind“, dann muss das für sich schon ein Skandal gewesen sein, denn auch damals haben natürlich nur die etwas gegolten, die Reichtum und (militärische) Macht innehatten. Warum aber hat Jesus die Welt so gesehen und den Menschen mit seinen Aussagen ein anderes Menschsein nicht nur als Zukunftsversion prophezeit, sondern es vielmehr gefordert und unter Androhung der ewigen Hölle befohlen?
Jesus sagt : (17) Wähnet nicht, daß ich gekommen sei, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen.
Diese Aussage deutet unmissverständlich darauf hin, dass es sich bei Jesus als der von Gott gesandte Mensch um die prophezeite Erfüllung des Alten Testaments handelte und dass seine Mission die Erfüllung der Schrift beinhaltete. Wie im Sündenfall Adams und Evas (Genesis, Moses 2) beschrieben, sah Jesus seine Aufgabe zwar in der Auflösung der sündhaften menschlichen Existenz, verstand diese Aufgabe aber als Erfüllung der Schriften nach dem Willen Gottes.
Jesus verkörperte zum einen die (charakteristische) Vollkommenheit der menschlichen Persönlichkeit (48) und liebenswerte Barmherzigkeit in Person und dennoch verbannte er gleichzeitig die unvollkommenen Menschen in die Hölle. Viele Leser mögen das als Widerspruch verstehen, für einen „heiligen“ oder vielmehr „heilen“ Menschen ist das Maß der Dinge aber zunächst die eigene Vollkommenheit der Persönlichkeitseigenschaften , die das Menschsein mit sich bringen muss. Seiner Charakteristik und damit dem Odem Gottes im Menschsein gerecht zu werden ist seine Bestrebung gewesen – alles andere war zweitrangig. Erst mit dem Erreichen dieses Bewusstseinszustandes sieht er die Seele und damit das Gefühl für Barmherzigkeit, Friedfertigkeit und Gerechtigkeit erfüllt. Drastischer als mit den Worten der Bergpredigt kann man wohl kaum zum Ausdruck bringen, was man von einem Menschenbild hält, das diesem Gott gewollten, bestimmten charakteristischen Persönlichkeitseigenschaften nicht standhält.
Was für eine Psyche hat aber ein Mensch, der sagt:
Ich aber sage euch: Widerstehet nicht dem Bösen, sondern wer irgend dich auf deinen rechten Backen schlagen wird, dem biete auch den anderen dar; -
Man kann annehmen, dass Jesus einen Weg beschreitet, der dem bösen Menschen vor allem die Bösartigkeit selbst bewusst machen will. Dies geschieht ganz sicher nicht aus Unterwürfigkeit oder Angst, sondern aus dem Gegenteil heraus. Jesus sah nur den Menschen auf dem richtigen Weg und damit der Hölle entfliehend, der der Angst und Boshaftigkeit entkommt. Jesus sah in dem Bösen selbst schon das Lebensopfer, dem es eben nicht zu strotzen gilt, indem man eigene Boshaftigkeit entgegensetzt, sondern indem man dem Täter bewusst macht, Opfer zu sein. Ein böser Mensch ist aus psychologischer Sicht auch das Opfer seiner eigenen Handlungsweise, da er ja letztlich aus Frustration und Irritation heraus agiert. Einem heilen Menschen spricht der Psychologe, hier Jesus, Bösartigkeit schlichtweg ab. Jesus war, so gesehen, ein seelisch gefestigter Mensch, der Böses schlicht als minderwertig und menschenunwürdig einordnete, dieses aber aufzulösen suchte, um sein Gegenüber aufzurichten, statt zu erniedrigen. Der folgende Satz:
(39) Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde, [segnet, die euch fluchen, tut wohl denen, die euch hassen,] und betet für die, die euch [beleidigen und] verfolgen,
unterstreicht dieser kompromisslosen Haltung, die oft irrtümlich als rein altruistischer Akt gepriesen wird. Es handelt sich aber hier um eine Handlungsweise, die keineswegs nur für den anderen gedacht ist und die auf keinen Fall mit sozialer Unterwerfung verwechselt werden darf. Es ist eher der vor Selbstsicherheit strotzende Mensch, der solche Verhaltensweisen an den Tag legt. Aus der Gewissheit heraus, selber im „Recht“ in seiner Handlungsweise zu sein, kann er dem Unrecht mit eigenem Wohlverhalten begegnen. Jesus ließ sich ganz sicher nichts gefallen, aber er musste auch nicht um Dinge streiten, die seinem Denken zuwider waren. Feindschaft gegenüber Menschen kannte er nicht, weil er nur Lebenssituationen sah und bewertete. Territoriale ethnische und religiöse Auseinandersetzungen waren ihm fremd und boten ihm keinen Streitgrund. Vielmehr hatte er den Anspruch, auf dem richtigen Weg zu sein. Frei und unabhängig von Dogmen und zeitabhängigen Geltungskriterien, war ihm der Charakteranspruch des Heiligen wesentlich, und da streitet man eben nicht um, ja was denn auch immer. Auffallend sind auch die Aussagen Jesu über die damaligen religiösen Führer und jüdischen Vordenker. Ganz offensichtlich waren ihm die Handlungsweisen der Pharisäer und Schriftgelehrten (siehe 20) ganz besonders ein Dorn im Auge. Wie erwähnt, verstand er sein oder das menschliche Seelenleben schlechthin als den Hauch Gottes im Menschen. Eine Einordnung in religiöse Strukturen oder ethnische Denkweisen verbietet sich daraus geradezu. Die Volksbräuche und das jüdische Verständnis vom Alten Testament und der religiösen ritualisierten Existenz hielt Jesus sicherlich für Tragik, warum also die immer wiederkehrende Abgrenzung und Beschimpfung der Gelehrten? Ein Affront auch Vers (4), in dem Jesus die geistig Armen preist statt die gebildete Oberschicht der Zeit. Geht man davon aus, dass der gläubige Jude mehrmals am Tag seine Gebete verrichtete, um Gottes Gefallen zu erwerben, und nur nach bestimmten Riten und Regeln lebte, konnte man in ihm sicher einen respektlosen Störenfried sehen. Mit ziemlicher Sicherheit missfiel Jesus jedwedes ritualisierte Handlungsmuster, da einem solchen Verhalten immer die Akzeptanz einer (religiösen) Über-Ich-Entwicklung* vorangeht. Das aber ist es, was Jesus als unnatürliche Deformierung der menschlichen Persönlichkeit ansah. Jemand, der dem Odem Gottes nachgeht, muss die (sinnlose) Unterwerfung durch Kultur und Religionsriten als nahezu blasphemisch empfinden. Für ihn kam die Religionsausübung seiner Umwelt einer Huldigung eines Buches gleich, das man nicht verstand und dessen Inhalt nur die Kaste der Lehrer selbst erhöhen und verherrlichen sollte. Das, was Jesus predigte, war ja das Gegenteil dessen, was gelebt wurde. Liebe, Wohlwollen, Sanftmut und Friedfertigkeit sah man, oder sollte ich sagen sieht man nicht als politische Korrektheit an, sondern hielt oder hält sie bestenfalls für soziale Wunschvorstellungen. Für Jesus aber war dieses Verhalten ein gelebtes Muss für den Menschen, der Gottes Willen und damit seiner Wesensart gerecht werden will. Die Pharisäer und damit die religiöse und politische Meinungsbildung verkörperten demnach einen Widerpart zum Gedankengut Jesu, obgleich das Judentum den Messias, den Erlöser, ankündigte. Eine Tragödie nahm also ihren Lauf, und die überlieferte Aggressivität Jesu ausgerechnet denen gegenüber, die die Inhalte der Bibel verbreiteten, ist wohl dem völligen Unverständnis gegenüber einer derartigen Über-Ich-Entwicklung*, die sich auch noch im Recht wähnte, geschuldet. * Das Über-Ich kann im Strukturmodell von Sigmund Freud der Psyche, vereinfacht als die moralische Instanz oder auch das Anerzogene Gewissen angesehen werden und stellt den Gegenpart für die elementaren Lusttriebe des ES dar. Es wird in der frühen Kindheit gebildet und enthält die (moralischen) Normen und verinnerlichten Wertvorstellungen der kulturellen Umgebung, in der das Individuum auf wächst (insbesondere die der Eltern). Ein Erwachsener der sich mit dem Introjekt der Erziehung nicht auseinandersetzt bleibt deshalb unter Umständen sein Leben lang in diesem Entwicklungsstadium und erlebt die Welt nie als Individualist.
Mein Weltbild entspricht heute dem des Laotse aus dem Jahre 600 vor Christus, das besagt:
Pflicht ohne Liebe macht verdrießlich.
Verantwortung ohne Liebe macht rücksichtslos.
Gerechtigkeit ohne Liebe macht hart.
Wahrheit ohne Liebe macht kritiksüchtig.
Erziehung ohne Liebe macht widerspruchsvoll.
Klugheit ohne Liebe macht gerissen.
Freundlichkeit ohne Liebe macht heuchlerisch.
Ordnung ohne Liebe macht kleinlich.
Sachkenntnis ohne Liebe macht rechthaberisch.
Macht ohne Liebe macht gewalttätig.
Ehre ohne Liebe macht hochmütig.
Besitz ohne Liebe macht geizig.
Glaube ohne Liebe macht fanatisch
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